Auch unter den Frauen gab es große Gestalten in der Sufi-Bewegung, zum Beispiel die bedeutende Mystikerin Rabia al Adawiyya (714-801 n. Chr.) aus Basra.
Der sufischen Überlieferung nach war Rabia in Freiheit geboren, aber nach dem Tod ihrer Eltern als Sklavin verkauft worden. Nachdem sie von ihrem Meister freigelassen wurde (anderen Quellen zufolge erlangte sie aufgrund eines Wunders die Freiheit wieder) widmete sie sich bis ins hohe Alter ausschließlich der Verehrung Gottes und lebte zölibatär. Mit Ausnahme einer Pilgerreise nach Mekka soll sie ihr gesamtes Leben in der Stadt Basra (im heutigen Irak) verbracht haben, wo sie mit religiösen Autoritäten nicht nur Diskussionen geführt, sondern diese auch unterrichtet haben soll. Es ranken sich viele Legenden um diese Mystikerin, die sie oft mit dem Theologen und Asketen Hasan al-Basri verbinden. Da dieser aber schon im Jahr 728 starb, kann sie ihn lediglich als junges Mädchen gekannt haben.
Rabia selber hinterließ keine schriftlichen Dokumente, die meisten Geschichten über sie sind aufgrund der literarischen Werke des bekannten Sufi Fariduddin Attar (* ca. 1136; †ca. 1ü) überliefert; dieser beschrieb Rabia mit den folgenden Worten: jene vom Schleier der Elite Verhüllte, jene vom Vorhang der Aufrichtigkeit Verschleierte, jene von Liebe und Sehnsucht Verbrannte, jene in Nähe und Glühen Bekannte, jene in Vereinigung Verschwunde, jene von den Männern angenommene, die zweite Maria die Reine…
Der Legende nach wurde Rabia einmal gefragt: „Liebst Du Gott?“ Sie antwortete: „Ja.“ – „Hasst Du den Teufel?“ Sie antwortete: „Nein. Meine Liebe zu Gott lässt mir keine Zeit, den Teufel zu hassen.“
Die vermutlich bekannteste Legende über Rabia berichtet darüber, wie man sie in den Straßen von Basra mit einem Eimer Wasser in der einen Hand und einer Fackel in der anderen Hand sah. Als sie gefragt wurde, was dies zu bedeuten habe antwortete sie:
Ich will Wasser in die Hölle gießen und Feuer ans Paradies legen, damit diese beiden Schleier verschwinden und niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle oder in Hoffnung aufs Paradies anbete, sondern nur noch um Seiner ewigen Schönheit willen. (zitiert nach Annemarie Schimmel, Gärten der Erkenntnis, S. 21)
Diese Legende verbreitete sich in christlich abgewandelter Form auch im mittelalterlichen Europa.